ROKSANDA & Other Stories
Im Gespräch mit Roksanda Ilinčić
Die Entwürfe von Roksanda Ilinčić erkunden die emotionalen Aspekte an der Schnittstelle zwischen Kunst, Architektur und Weiblichkeit, wo kräftige Farben auf skulpturale Formen treffen. Hier spricht sie über die Inspiration hinter ihrer Kollektion, den Einfluss ihrer serbischen Wurzeln und darüber, wie Mode stärken, verändern und inspirieren kann.




Deine kompromisslose Verwendung von Farben ist ein Markenzeichen deiner Arbeit. Was reizt dich an bestimmten Farbpaletten und wie wählst du Farben aus?
Meine Liebe zu Farben geht auf meine Kindheit in Serbien zurück, einem Ort mit viel Sonnenschein und leuchtenden Farben. Die intensiven Sommer und das strahlende Sonnenlicht dort ließen Farben so kraftvoll wirken – sie sind Teil meiner Kindheit und geben mir ein Gefühl von Vertrautheit und Geborgenheit, aber auch das Selbstbewusstsein, mit ihnen zu spielen. Dieses Selbstbewusstsein, diese Intuition helfen mir, mit recht gewagten und unerwarteten Farbkombinationen zu spielen. Ich verwende bewusst ungewöhnliche Kombinationen, um unsere Vorstellungen von gutem und schlechtem Geschmack zu hinterfragen. Wir alle haben eine konventionelle Vorstellung davon, welche Farben gut zusammenpassen, und ich wollte diese Normen hinterfragen. Mein Ziel ist es, ein spaßiges und unerwartetes Element einzubringen. Deshalb sind meine Farbkombinationen kontrastreich, ungewöhnlich und harmonisch zugleich.
Was hat die Farbpalette für diese Zusammenarbeit inspiriert?
Die Farbpalette war der Ausgangspunkt für diese Zusammenarbeit. Da es sich um eine Frühjahrs-/Sommer-Kollektion handelt, wollte ich die Leichtigkeit und Nostalgie der späten Sonnenuntergänge im Sommer, der gemütlichen Morgenstunden und die Schönheit endloser Sommertage einfangen. Ich wollte diese Momente einfließen lassen, die wir im Sommer so sehr schätzen. Es gibt auch dunklere Töne wie Bronze und gebranntes Orange, denn auch wenn es hell ist, gibt es immer eine dunkle Seite.
In der Mode geht es im Grunde genommen um Selbstdarstellung und Authentizität.
Roksanda Ilinčić
Du hast für diese Kollektion auch Lippenstift- und Nagellackfarben ausgewählt. Wie bist du dabei vorgegangen?
Es hat mir großen Spaß gemacht, Farben zusammenzustellen, die die Kollektion ergänzen. Ich wollte, dass sie wie eine Erweiterung der Kleidung wirken – ein raffinierter, abrundender Touch für den Look. Ich bin bekannt dafür, dass ich sowohl knallige Lippenfarben als auch dunkle Rottöne verwende – alle Schattierungen von Rot. Das wollte ich auch in diese Kollektion einbringen.
Während deines kreativen Werdegangs hast du dich nach einem Architekturstudium in Belgrad der Mode an der Central Saint Martins in London gewidmet. Was war der Auslöser für diesen Wechsel?
Ich bin von der Architektur zur Mode gewechselt. Aber es ist interessant, dass mein Weg eigentlich umgekehrt verlief. Als ich in Serbien studierte, gab es nur wenige Möglichkeiten, mein Leben als Modedesignerin zu gestalten, und deshalb habe ich mich für ein Architekturstudium eingeschrieben. Ich konnte jedoch meine Leidenschaft und mich selbst nicht leugnen, also studierte ich parallel dazu an der Fakultät für Angewandte Kunst in Belgrad, wo auch Mode zu den Fächern gehörte. Das führte zu meinem Master-Abschluss an der St. Martin's in London, der den Beginn meiner Karriere in der Modebranche markierte. An der St. Martin's studierte ich unter der unglaublichen Leiterin der Abteilung für Damenmode, Dame Louise Wilson. Louise war eine unglaubliche Naturgewalt und hatte einen großen Einfluss auf meine Arbeit.
Was ist eine Weisheit von ihr, die dich noch immer begleitet?
Louise hat mir viele Dinge beigebracht. Eines davon war, niemals der Mode zu folgen. Es ist gut, sich intensiv mit dem zu beschäftigen, was in der Mode passiert, aber sich gleichzeitig nicht daran anzupassen. Stattdessen solltest du deinen eigenen Weg gehen und etwas schaffen, das die eigene Perspektive widerspiegelt. Deine eigene Stimme zu finden und zu verstehen, wer du bist, ist ein ganz individueller Prozess und einer der wichtigsten Momente in deiner Laufbahn. Anstatt sich nur auf äußere Einflüsse zu konzentrieren, ist es wichtig, nach innen zu schauen und herauszufinden, wer du bist und was du liebst. In der Mode geht es im Grunde genommen um Selbstdarstellung und Authentizität.




Inwiefern hat dein architektonischer Hintergrund deine Art beeinflusst, wie du Modedesigns konzipierst und zum Leben erweckst?
Durch die philosophischen Elemente, die ich in meine Entwürfe einfließen lasse, wie zum Beispiel die Konzepte von Schutz und Geborgenheit. Unsere Wohnungen werden oft als kleine Zufluchtsorte wahrgenommen – als heilige Räume, die wir schaffen, um uns sicher und geborgen zu fühlen. Ich habe immer danach gestrebt, Kleidungsstücke zu entwerfen, die unserer Seele das gleiche Gefühl von Komfort vermitteln wie unser Zuhause. Ich betrachte Kleider als Skulpturen, als Objekte, die aus jedem Blickwinkel bewundert werden können.
Kannst du näher erläutern, wie du dieses abstrakte Konzept der Geborgenheit in etwas umsetzt, das bei deiner Kleidung physisch spürbar ist?
Kleidung hat zwei unterschiedliche Aspekte. Da ist zunächst der physische Aspekt: die Texturen, die du fühlen kannst, die Empfindungen, die du hast, und die Emotionen, die ein Kleidungsstück hervorrufen kann. Dann gibt es noch die tiefere, transformative Erfahrung beim Tragen eines Kleidungsstücks. Etwas anzuziehen kann die Stimmung, die Laune und das Selbstbewusstsein heben. Diese transformative Eigenschaft ist komplex und schwer zu fassen. Um diese emotionale Verbindung herzustellen, denke ich ständig darüber nach, was Frauen brauchen: was sie verbergen und was sie betonen möchten. Das ist die Essenz meiner Kleidung: sie versucht, etwas Immaterielles, aber Kraftvolles einzufangen, um ein Gefühl von Schutz und Stärke zu vermitteln.




Ich betrachte Kleider als Skulpturen, als Objekte, die aus jedem Blickwinkel bewundert werden können.
Roksanda Ilinčić